Siegfried Ochs

1882–1929

Siegfried Ochs, geboren am 19. April 1858, entstammte einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Frankfurt/Main. Obwohl er sich zunächst für ein Chemiestudium in Darmstadt und Heidelberg entschieden hatte, setzte er seine musische Begabung und seine vielseitigen künstlerischen Talente immer wieder am Theater in Heidelberg ein, wo er als Korrepetitor, Chorsänger, Geiger oder Paukist gefragt war. 1877 zog es ihn nach Berlin an die Königliche Musikhochschule, wo er von Beginn an den intensiven Kontakt mit neuer deutscher Musik suchte. Das aber lief der traditionsorientierten Leitung der gerade einmal acht Jahre jungen Hochschule zuwider, so dass er ihr wieder den Rücken kehrte und privat seinen Unterricht in Kontrapunkt bei Friedrich Kiel und Heinrich Urban fortführte.

Mit 24 Jahren gründete er schließlich sein eigenes Ensemble: Vorerst unter dem Namen „Siegfried Ochs’scher Gesangsverein“ wurde am 5. Dezember 1882 der „Philharmonische Chor Berlin“ ins Leben gerufen. Was mit einer freundschaftlichen Vereinigung von zwanzig Sängern begann, entwickelte sich rasch zu einem stetig anwachsenden Ensemble. In der Saison 1886/1887 zählte der Chor 185 aktive Mitglieder und nahm auch musikalisch eine einzigartige Rolle im Berliner Kulturleben einnahm. In der Probenarbeit war Ochs geradezu „berüchtigt“ für seine intensive und moderne Methodik. Seine Expertise war auch Gustav Mahler bekannt, der sich in der Gestaltung seiner 8. Sinfonie, der sogenannten „Sinfonie der Tausend“ bezüglich der chortechnischen Fragen von Ochs beraten ließ. Die Aufgeschlossenheit gegenüber zeitgenössischer Komposition und das ständige Bestreben nach einem breiten musikalischen Spektrum brachten ihm und dem Chor große öffentliche Anerkennung.

Bereits 1887 begann eine langjährige Kooperation mit dem Philharmonischen Orchester unter der Leitung von Hans von Bülow. 1889 wurde Ochs der Professorentitel verliehen, 1900 gründete er gemeinsam mit Joseph Joachim die „Neue Bachgesellschaft“. Mit der Berliner Erstaufführung von Bruckners „Te Deum“ am 31. Mai 1891 verhalfen Ochs und sein Chor dem Komponisten zu größerer Bekanntheit. Als 1920 eine Auflösung des Chors aufgrund finanzieller Schwierigkeiten unvermeidbar wurde, überführte Ochs seinen Chor in den „Chor der Staatlichen akademischen Hochschule für Musik in Berlin“. Diese Verschmelzung nutzte er fortan, um die Verbindung des öffentlichen Musiklebens und der akademischen Ausbildung zu stärken. Acht Jahre lang prägte Siegfried Ochs mit seinem Hochschulchor das Berliner Konzertwesen.

Geprägt war diese Zeit auch von seinem gesellschaftlichem Engagement:

Bis 1928 gehörte er dem künstlerischen Beirat des Arbeiter-Sängerbundes an. Im Juni 1928 trat er aus dem Hochschulverband aus. Weniger als ein Jahr später, am 5. Februar 1929, starb Siegfried Ochs im Alter von 61 Jahren.