Das Weltende in einem großen Oratorium

Andreas Montag, Mitteldeutsche Zeitung

Franz Schmidt
Das Buch mit sieben Siegeln

dom zu merseburg
20. september 2015

Leitung  Jörg-Peter-Weigle

Ein würdiger Abschluss der Merseburger Orgeltag: Minutenlangen, stehenden Applaus gab es am Sonntagabend nach der Aufführung von Franz Schmidts Oratorium ,Das Buch mit sieben Siegeln‘ im Dom der Stadt. Das anspruchsvolle Werk für Soli, Chor, Orgel und Orchester gehört wie sein Komponist zu jenen, die dem breiten Publikum eher weniger bekannt sind. Umso gewaltiger entfaltet sich dann die Wirkung des glanzvoll aufgeführten Oratoriums. Schmidt, geboren 1874 in Pressburg, dem heutigen Bratislava, lebte in Wien, wo er 1939 hochgeehrt gestorben ist. Im ,Buch mit sieben Siegeln‘ (…) hat er den gewaltigen Versuch unternommen, die Apokalypse zu vertonen – auf der Grundlage der Offenbarung des Johannes, des letzten Buches des Neuen Testaments. Wer Text und Musik hört, wird angesichts der Weissagung furchtbaren Schreckens, der vor der Erlösung stehen soll, emotional tief aufgewühlt sein. Bedenkt man, dass die Komposition von 1935 bis 1937 entstanden ist, wird man sie auch als ein Zeichen ahnungsvollen Schreckens deuten wollen, ausgelöst von der heraufziehenden Nazi-Gefahr. Man kann über Schmidt aber auch lesen, er habe zu den Befürwortern des sogenannten Anschlusses Österreichs an Deutschland gehört und sei von den NS-Politikern geschätzt worden. Ein Widerspruch, der am ehesten mit der These auszulösen ist, dass Schmidt als Komponist wohl klüger war und feiner fühlte – wider den Zeitgeist. Sein Oratorium jedenfalls spricht dafür. Un die von Jörg-Peter Weigle souverän geleitete Aufführung hat es ebenso gezeigt. Uneingeschränktes Lob geht dafür an die Aufführenden – die Staatskapelle Halle, den Philharmonischen Chor Berlin, den Tenor Christian Elster (herausragend als Johannes), an Marietta Zumbült (Sopran), Ingeborg Ranz (Alt), Marcus Ullmann (Tenor), Kresimir Strazanac (Bass) sowie an Michael Schönheit an der Orgel.